21.09.2020

Betriebsstättenverluste: Kehrtwende beim Abzug finaler Verluste?

Grenzüberschreitende Sachverhalte sind per se mit einer höheren steuerlichen Komplexität behaftet als rein nationale. Das liegt unter anderem daran, dass in der Regel zwei bzw. mehrere unterschiedliche nationale Steuergesetze zu berücksichtigen sind. Dazu kommen gegebenenfalls noch die Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen. Ein Thema ist jedoch seit jeher besonders komplex und vor allem wechselhaft, und zwar die sogenannten finalen Verluste bei ausländischen Betriebsstätten.

In einem vom Finanzgericht Niedersachsen entschiedenen Fall unterhielt eine in Deutschland ansässige GmbH eine Geschäftsfiliale in Polen (Betriebsstätte). Die Filiale erwirtschaftete in den letzten Jahren stetig Verluste ohne realistische Chance auf einen Turnaround. Die Geschäftsführung beschloss, die polnische Filiale zu schließen und diese aufzugeben. Weitere unternehmerische Aktivitäten in Polen bestanden nicht und waren auch nicht geplant. Für die Betriebsstätte in Polen waren bis zu ihrer Schließung Verlustvorträge in Polen festzustellen, ebenso wie in Deutschland - vor dem Hintergrund, diese mit möglichen Gewinnen in der Zukunft verrechnen zu können. Sobald die Filiale geschlossen wird, besteht diese Möglichkeit jedoch nicht mehr und die Verluste werden final.

Für die Frage, ob solche ausländischen finalen Verluste in Deutschland abgezogen werden können, hält die Rechtsprechung allerdings ganz unterschiedliche Antworten bereit. In der jüngeren Vergangenheit urteilten sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesfinanzhof (BFH) ablehnend. Im Jahr 2018 entschieden dagegen hessische Finanzrichter, dass ein Abzug möglich sei. Diesem Duktus schlossen sich nun die niedersächsischen Richter an. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlange, dass finale Verluste aus dem EU-/EWR-Raum grenzüberschreitend beim inländischen Stammhaus abgezogen werden könnten.

Hinweis: Entsprechende Fälle sollten in jedem Fall offengehalten werden. Derzeit sind beim BFH nämlich gleich fünf Verfahren anhängig, in denen es um vergleichbare Sachverhalte geht. Gegebenenfalls könnten die finanzgerichtlichen Urteile zu einer Rückkehr der Abzugsfähigkeit solcher Verluste führen.




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